Schluss mit den Mythen zum hydraulischen Abgleich
Der hydraulische Abgleich ist (gefühlt) wie die Steuererklärung der Heizungswelt: Obwohl alle wissen, dass er sich für Eigentümer und Mieter ebenso wie für Installateure rechnet, sind viele SHK-Fachleute noch zurückhaltend bei der flächendeckenden Umsetzung. Hinzu kommt, dass im Markt die unterschiedlichsten Mythen zum Thema kursieren. Vom einmaligen Abgleich bis hin zu Verfahren, die vollautomatisch funktionieren. Dass dem mitnichten so ist, wird allein mit Blick auf die zahlreichen Methoden deutlich. Doch welches Verfahren eignet sich für welchen Einsatz? Oft fehlt es an der richtigen Informationsbasis, damit das Thema hydraulischer Abgleich seinen Schrecken verliert.

„Wieso?“, „Weshalb?“, „Warum?“…
Während die Debatten bei der Energiewende um Solarpanels, Wärmepumpen und Windräder kreisen, blieb bisher oft unbemerkt, dass in deutschen Heizungsanlagen viel ungenutztes Effizienzpotenzial schlummert. So hat die Wirtschaftsvereinigung Gebäude und Energie (VdZ) ermittelt, dass sich mit überschaubarem Aufwand jährlich bis zu 1,5 Milliarden Euro unnötiger Energiekosten und rund 5,3 Millionen Tonnen CO₂ einsparen ließen – bei Wohn- und Nichtwohngebäuden gleichermaßen. Besonders bei den Veteranen unter den Gebäuden – rund 70 Prozent des Baubestands in Deutschland stammen aus der Zeit vor 1979 – könnte der hydraulische Abgleich sein volles Potenzial entfalten. Davon profitieren Immobilienbesitzer und -bewohner ebenso wie SHK-Techniker: Ein korrekt ausgeführter hydraulischer Abgleich schont nicht nur den Geldbeutel der Eigentümer und Mieter. SHK-Installateuren bietet er zugleich die Chance auf effizientere Serviceeinsätze und eine Beratungsleistung auf der Höhe der ökologischen Zeit.
Im Kern geht es beim hydraulischen Abgleich darum, Wärme optimal auf alle Heizelemente und Räume einer Wohneinheit zu verteilen. Da Wasser der wesentliche Energieträger in Heizkörpern und Flächenheizsystemen ist, geht es beim hydraulischen Abgleich um die effiziente Verteilung von warmem Wasser. Dazu muss für jedes Heizsystem die Heizlast, die exakt benötigte Wassermenge und Temperaturen berechnet werden. Zentrale Komponenten der Heizsysteme wie Thermostatventile, Heizungspumpen und Differenzdruckregler werden voreingestellt, so dass die Systeme über die erforderliche Wassermenge verfügen – und so die gewünschte Raumtemperatur erzielen.
Kleine Maßnahme, große Wirkung
Das Gute daran: Die für viele Gebäude verpflichtende Maßnahme kann dazu beitragen, die Energieeffizienz um bis zu 15 Prozent zu steigern. Selbst Räume, die weit von der Heizpumpe entfernt sind, kommen schnell auf die gewünschte Temperatur. Was Verbraucher besonders freuen wird: Der hydraulische Abgleich kann in vielen Fällen sogar helfen, die Energiekosten deutlich zu senken. Studien zufolge liegt das Energieeinsparpotenzial in Deutschland bei durchschnittlich 10 kWh/m2a.
Dieses Potenzial können sich Gebäudenutzer mit dem hydraulischen Abgleich sichern: Weil jeder Teil des Systems über die optimale Wassermengenverteilung verfügt, lassen sich übermäßige Heizkosten, die beispielsweise durch kalte oder überheizte Räume entstehen, deutlich reduzieren. Ganz nebenbei hat der hydraulische Abgleich auch einen positiven Effekt hinsichtlich störender Strömungsgeräusche, die sich in vielen Fällen minimieren lassen.
Gesetzlich gefordertes Vorgehen
Tatsächlich handelt es sich beim hydraulischen Abgleich aktuell nicht um eine optionale, sondern um eine gesetzlich vorgeschriebene Maßnahme. Das Gebäudeenergiegesetz (GEG) vom 1. Januar 2024 regelt eindeutig: Seit dem 1.10.2024 müssen neue Heizungssysteme (bzw. bei Austausch des Wärmeerzeugers) unabhängig vom Energieträger in Gebäuden mit mindestens sechs Wohneinheiten hydraulisch abgeglichen werden (§ 60c GEG). Für Immobilieneigentümer ist die Einhaltung dieser Vorschrift relevant, da Verstöße mit Bußgeldern von bis zu 5.000 Euro geahndet werden können (§ 108 GEG). Für SHK-Fachbetriebe bedeutet das eine klare fachliche Verantwortung: Sie müssen den hydraulischen Abgleich als verbindlichen Teil ihrer Leistung anbieten und umsetzen.
Auch Bestandsanlagen in Gebäuden mit mindestens sechs Wohneinheiten kommen nicht um den hydraulischen Abgleich herum: Sie unterliegen seit 1.10.2024 zumindest einer Prüfpflicht auf Optimierungsbedarf (§ 60b GEG). Das heißt, die Eigentümer müssen prüfen, ob ein Abgleich erforderlich sein könnte – und bei Bedarf entsprechend handeln. Hier kommen die SHK-Techniker ins Spiel: Obwohl keine gesetzliche Wiederholungspflicht besteht, empfiehlt sich für SHK-Fachleute, einen hydraulischen Abgleich insbesondere dann durchzuführen bzw. anzuregen, wenn größere Umbaumaßnahmen am Heizsystem erfolgten, Gebäude eine energetische Sanierung hinter sich haben oder die Wärme sich ungleichmäßig in den Räumen verteilt.
Das derzeit gültige GEG 2024 wird in den kommenden Monaten überprüft und entsprechend den Vorschriften der Europäischen Richtlinie EPBD ergänzt und angepasst.
Förderberechtigte Maßnahmen
Auch für viele weitere nationale und europäische Normen, Richtlinien und Verordnungen ist der hydraulische Abgleich notwendig und erfordert entsprechende Beratung durch versierte Praktiker. So etwa für die energetische Bewertung von Gebäuden nach DIN V 18599-5 zur Erstellung eines Energieausweises bei Neubauten. An der fachmännischen Durchführung und Bestätigung eines hydraulischen Abgleichs führt auch kein Weg vorbei, um staatliche Fördergelder beantragen zu können. Im Rahmen der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) beispielsweise unterstützt das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) den Einsatz energiesparender Technologien und Maßnahmen finanziell – unter anderem den Austausch von Heizungspumpen und die Durchführung eines hydraulischen Abgleichs. Bei förderberechtigten Maßnahmen bezuschusst das BAFA derzeit die Gesamtkosten, inklusive Material und Installationsarbeiten.
Technische Notwendigkeit
Ein professionell durchgeführter hydraulischer Abgleich ist aber nicht nur aus Fördergründen wichtig. Ohne einen fachgerechten hydraulischen Abgleich geraten Heizsysteme schnell aus der Balance: Heizkörper nahe der Pumpe werden überversorgt, während weiter entfernte zu wenig Wasser erhalten – der Energieträger nimmt stets den Weg des geringsten Widerstands. Auch die Vorlauftemperatur – die „Starttemperatur“ des Heizwassers – erreicht nicht die nötigen Werte und mindert dadurch die Effizienz der gesamten Heizanlage. Zusätzlich kommt es zu schwankenden Differenzdrücken, die die Regelgüte beeinträchtigen. Die Folgen: erhöhter Energieverbrauch, um die Versorgungsdefizite auszugleichen, und eine ungleichmäßige Wärmeverteilung im gesamten System.
Von wegen kompliziert:
So funktioniert der hydraulische Abgleich
Der hydraulische Abgleich wird in der Praxis ungeachtet aller Vorteile häufig umgangen, da dieser als aufwändig und kompliziert gilt. Ein Blick auf die Verfahren zeigt, dass der hydraulische Abgleich klar definierte Komponenten umfasst, die zudem ein flexibles Vorgehen ermöglichen. Experten unterscheiden bei Zweirohrsystemen zwischen statischem, dynamischem und adaptivem hydraulischen Abgleich; die Vielfalt geht auf technologische Entwicklungen über mehrere Jahrzehnte zurück. Grundsätzlich unterscheiden sich die Verfahren hinsichtlich der eingesetzten Technologien, Funktionen und Einsatzgebiete.
• Der statische hydraulische Abgleich gemäß DIN 94679 („Hydraulische Systeme in Heiz-, kühl- und raumlufttechnischen Anlagen“) justiert die Wasserdurchflussmenge am Verbraucher manuell über voreinstellbare Ventile. Diese Einstellungen beruhen auf einem vorab ermittelten Sollwert und bleiben während des Betriebs konstant.
• Im Gegensatz dazu nutzt der dynamische hydraulische Abgleich druckunabhängige Ventile und ermöglicht so eine laufende Reaktion auf die Systembedingungen. Über die Ventile lässt sich die Wassermenge ebenfalls voreinstellen – mit einem wesentlichen Unterschied: Die Ventile haben einen internen Differenzdruckregler, über den sie Druckverluste im Heizungsnetz und schwankende Volumenströme jederzeit ausgleichen können – für eine noch genauere Versorgung des Systems mit Wasser.
• Der adaptive Abgleich hingegen setzt auf Algorithmen, die den hydraulischen Abgleich automatisch auf Basis von Messgrößen (z. B. Differenzdruck, Durchfluss, Temperatur) durchführen. Diese Systeme passen sich kontinuierlich und selbstständig an den aktuellen Bedarf an. Die Grundlagen der Anlagenhydraulik müssen bei auch bei diesen Verfahren berücksichtigt werden.
Daneben existieren einfache thermische Verfahren. Diese Systeme steuern die Wärmeabgabe in Räumen bedarfsgerecht, indem sie verschiedene Temperaturmessungen nutzen. Üblicherweise ermitteln sie die Vorlauf-, Rücklauf- und Raumtemperatur. Die Funktionsweise dieser Systeme unterscheidet sich je nach Hersteller stark.
Bei der Auswahl des Verfahrens sowie der zugehörigen Komponenten müssen die Grundlagen der Anlagenhydraulik sowie die Einsatzgrenzen und Anwendungsbereiche der jeweiligen Lösung genauestens beachtet werden. Derzeitig werden Verfahren mit Zertifikaten angeboten, die diese Information nur unzureichend ausweisen. Es gilt also, die technische Dokumentation zu prüfen. Der statische und dynamische hydraulische Abgleich sind jeweils anerkannte Regeln der Technik.
Eine Frage des Verfahrens
So entscheidend wie die technologische Seite des Abgleichs ist auch die regulatorische. Hydraulische Abgleiche müssen SHK-Installateure nach Verfahren B der ZVSHK-Fachregel „Optimierung von Heizungsanlagen im Bestand“ durchführen. Verfahren B zielt darauf ab, zunächst die Gebäude- und Raumheizlast per Software zu berechnen – anders als das inzwischen obsolete Verfahren A, das bis Ende 2022 in dieser Hinsicht galt, ohne den spezifischen Gegebenheiten von Gebäuden Rechnung zu tragen. Wärmebedarfe wurden lediglich nach dem Gebäudealter und der Raumfläche geschätzt; vorhandene Erfahrungswerte bildeten demnach die (ungenaue) Grundlage.
Verfahren B schafft mit präzisen Heizlastberechnungen, die unter anderem Rohrnetze, Druckverluste und Volumenströme umfassen, die Grundlage für einen korrekten hydraulischen Abgleich. Den Rahmen, um die benötigte Wärmeleistung für jeden einzelnen Raum eines Gebäudes zu ermitteln, liefert die DIN EN 12831. Fehlen die Raumheizlastwerte nach DIN 12831, lassen sich nicht alle Heizkörper oder Flächenheizungen exakt mit der benötigten Wärmemenge versorgen. Diese Norm bildet damit die unverzichtbare Basis für einen präzisen hydraulischen
Abgleich nach Verfahren B, das mitunter über die Förderfähigkeit geplanter Optimierungsmaßnahmen entscheidet. Für Förderanträge ist seit dem 01.01.2023 nur noch das Verfahren B für die BEG-Förderung zulässig.
Das damalige Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz hat darüber hinaus eine Checkliste veröffentlicht, die Auskunft über die Anerkennung gleichwertiger Verfahren gibt. Darin sind unter anderem detaillierte Anforderungen an die Zertifizierung und das Verfahren aufgeführt. Grundsätzlich entbinden diese Systeme nicht von der Pflicht zur Ermittlung der Heizlast und Temperaturen, der Einstellung der Anlagenparameter und der Anlagendokumentation.
SHK-Experten, die den klassischen hydraulischen Abgleich korrekt umsetzen, machen alles richtig. Bei der Auswahl von alternativen Systemen müssen das Verfahren und dessen Einsatzgrenzen bewertet und berücksichtigt werden. In jedem Fall unterstützt der hydraulische Abgleich bei der Einsparung von Energiekosten, liefert Raumkomfort und minimiert den negativen Einfluss auf unser Klima.
IMI Serviceleistungen
IMI unterstützt Fachleute mit praxisorientierten Schulungen im Bereich hydraulischer Abgleich, Raumtemperaturregelung und Anlagentechnik. In Online-Seminaren vermittelt das Unternehmen wertvolles Wissen zur Planung und Ausführung energieeffizienter, betriebs- und zukunftssicherer Gebäude. Über die Kommunikationsplattform HyForum bietet IMI zudem schnelle Hilfestellungen zu Themen wie hydraulischer Abgleich, GEG, Regelventile, Stellantriebe, Strangarmaturen und Differenzdruckregler. Das Forum dient zugleich als Ort des Austauschs über die neuesten Trends und Entwicklungen in der Branche.
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